"Da, da, in dem grünen Korb! Haha, das ist doch der Gelbe! Nein, haha, das ist der Rote!"
Mindestens 50 Kinder schreien und lachen sich kringelig, während ein Clown auf der Bühne sich nicht mehr erinnern kann, in welchen Korb er gerade eben seine Hupe gepackt hat.
Wir sind auf dem Sommer-Stadtfest und unser Sohn starrt von meinem Schoß aus gebannt und mit leuchtenden Augen auf den Blödsinn, den der Clown anstellt. Um uns herum überall lachende, aufgeregte Kinder. Alle rufen durcheinander, jeder will dem Clown helfen, seine Hupe zu finden, Wir sitzen mitten im allergrößten Spaß. Mitten in einer ganz und gar begeisterten Kinderschar.
Plötzlich frage ich mich: Wann verliert man eigentlich diese Begeisterung?
Ich denke an vergleichbare Versammlungen von Erwachsenen. Vor meinem geistigen Auge sehe ich Vortragende, Moderatoren, Trainer. Jedem von Ihnen sitzt eine graue Masse gegenüber. Eine schweigsame Masse. Es gibt keine begeisterten Zwischenufe. Wer eine Äußerung des Publikums möchte, der muss schon direkt fragen. Aber- oh je, selbst dann sagt keiner ein Wort. Alle schauen betreten auf den Boden. Jahre zuvor waren die alle mal begeisterte Kinder.
Kann man das Alter festmachen, in denen es mit der ungehemmten Begeisterung vorbei ist?
Schulanfänger haben sie noch nicht verloren, glaube ich. Wenn ich an die Einschulung meines Patenkindes letztes Jahr denke, da haben jedenfalls alle Kinder noch ganz wild durcheinander die Fragen der Rektorin beantwortet.
Verlieren wir die Begeisterung überhaupt? Oder ist die Begeisterung immernoch in uns, aber wir sind zu gehemmt und halten es für angemessen, uns zurückzuhalten?
Wann fangen Kinder an, es vorzuziehen, sich zurückzuhalten? Und vor allem: Warum?
Vermutlich sind es viele schlechte Erfahrungen, die sie verwandeln. Zum Beispiel die Erfahrung, dass es immer jemanden gibt, der es besser weiß, und der einen auslachen könnte, wenn man etwas sagt. Oder noch schlimmer, die Erfahrung, dass sich eine ganze Gruppe gegen einen verbünden kann, wenn man es wagt, das Falsche zu sagen.
Ich drücke meinen Sohn, der immernoch staunend mit offenem Mund auf meinem Schoß sitzt, ganz fest an mich. Für einen Moment erdrückt mich die Gewissheit, dass vor diesem kleinen Wesen so viele schlechte Erfahrungen liegen, vor denen ich ihn kaum beschützen kann.
Ach, mein Söhnchen, ich wünsche Dir, dass Du Deine Begeisterung noch ganz, ganz lange behältst. Deine Mama wird dich jedenfalls immer ermuntern, Deine Stimme zu erheben.
Ob ich einfach mal mit den ganzen Kindern dem Clown zurufe? Hab´ich ja verdammt lange nicht gemacht...
Eure Mia
"Mein Sohn, schür die Rebellion, schür Deine Vision
Es muß nicht, bleiben, muß nicht bleiben wie es ist und
Heh, meine Tochter geh, Deinen eigenen Weg
Du mußt nicht bleiben, mußt nicht bleiben, wo Du bist
Und dann: Zeig uns, was Du kannst!
Und nimm diese Welt in Deinen Arm!"
Wolf Maahn, Rebellion
mariasimoneidejhs
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